Verbindlichkeiten: Ist der Abzinsungssatz von 5,5 % verfassungswidrig?




Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel Darlehen, Lieferantenschulden oder andere Außenstände, sind per Gesetz abzuzinsen, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind:

    1. Die Verbindlichkeit ist unverzinslich.
    2. Die Restlaufzeit beträgt am Bilanzstichtag mehr als ein Jahr.
    3. Es handelt sich nicht um eine erhaltene Anzahlung oder Vorausleistung.

      Da eine unverzinsliche (längerfristige) Geldleistungsverpflichtung den Kaufmann weniger belastet als eine verzinsliche Verpflichtung, darf eine solche Schuld nur mit dem um 5,5 % abgezinsten Betrag passiviert werden.

      Im Rahmen des "aktuellen" Marktgeschehens (nachhaltige Absenkung des Zinsniveaus) stellt sich jedoch verstärkt die Frage, ob die Höhe der Abzinsung noch verfassungsgemäß ist; zeitgemäß ist sie schon lange nicht mehr.

      Da die Frage, ob der allgemeine Steuerzinssatz von 6 % noch verfassungsgemäß ist bereits (in mehreren Verfahren) vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist, stellte sich ein Kläger vor dem Finanzgericht Hamburg (FG) die Frage, ob nicht auch der Abzinsungssatz gerichtlich überprüft werden sollte. Die Richter des FG gaben dem Kläger recht. Der Zinssatz von 5,5 % sei zu hoch. Zudem äußerten sie "ernstliche Zweifel" an dessen Verfassungsmäßigkeit.

      Aber es kommt noch besser: Die Richter gewährten Aussetzung der Vollziehung, das bedeutet, dass bei Stellung eines entsprechenden Antrags von der Abzinsung abgesehen werden darf bzw. die Steuer auf den Differenzbetrag zunächst (!) nicht gezahlt werden muss.

      Beispiel: Ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 100.000 EUR hat eine Restlaufzeit von etwas mehr als zwölf Monaten. Laut Gesetz ist das Darlehen nur in Höhe von 94.786 EUR anzusetzen (100.000 EUR: 1,055). Die Differenz in Höhe von 5.214 EUR ist als Ertrag zu buchen. Bei Stellung eines entsprechenden Antrags ist die Steuer auf den Ertrag zunächst nicht zu zahlen, sondern erst bei Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes.

      Die Stellung des Antrags sollte sorgfältig abgewogen werden, denn sollte die Steuer später, mitunter nach Jahren, zu entrichten sein, ist der Steueranspruch zu verzinsen und zwar nach derzeitiger Rechtslage mit 6 %.

      Information für: Unternehmer
      zum Thema: Körperschaftsteuer

      (aus: Ausgabe 05/2019)